TEXT 6
sannyāsas tu mahā-bāho
duḥkham āptum ayogataḥ
yoga-yukto munir brahma
na cireṇādhigacchati
sannyāsaḥ — der Lebensstand der Entsagung; tu — aber; mahā-bāho — o Starkarmiger; duḥkham — Leid; āptum — man wird getroffen von; ayogataḥ — ohne hingebungsvollen Dienst; yoga-yuktaḥ — wer sich im hingebungsvollen Dienst beschäftigt; muniḥ — ein Denker; brahma — den Höchsten; na cireṇa — ohne Verzug; adhigacchati — erreicht.
Wer bloß allen Tätigkeiten entsagt und sich nicht im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigt, kann nicht glücklich werden. Aber ein besonnener Mensch, der hingebungsvollen Dienst ausführt, kann den Höchsten unverzüglich erreichen.
ERLÄUTERUNG: Es gibt zwei Klassen von sannyāsīs, Menschen im Lebensstand der Entsagung. Die Māyāvādī-sannyāsīs sind mit dem Studium der sāṅkhya-Philosophie beschäftigt, während die Vaisṇava-sannyāsīs die Bhāgavatam-Philosophie studieren, die den richtigen Kommentar zu den Vedānta-sūtras liefert. Auch die Māyāvādī-sannyāsīs studieren die Vedānta-sūtras, benutzen dabei jedoch ihren eigenen Kommentar, den Śārīraka-bhāṣya, der von Śaṅkarācārya verfaßt wurde. Die Anhänger der Bhāgavata-Schule betätigen sich gemäß den pāñcarātrikī-Vorschriften im hingebungsvollen Dienst des Herrn, und daher gibt es für die Vaiṣṇava-sannyāsīs in diesem transzendentalen Dienst immer viele Beschäftigungen. Die Vaiṣṇava-sannyāsīs haben nichts mit materiellen Tätigkeiten zu tun, und dennoch führen sie in ihrem hingebungsvollen Dienst zum Herrn verschiedenste Tätigkeiten aus. Die Māyāvādī- sannyāsīs hingegen, die sich mit dem Studium von sāṅkhya und Vedānta und mit Spekulation befassen, können den transzendentalen Dienst des Herrn nicht kosten. Weil ihre Studien mit der Zeit sehr langweilig und fade werden, werden sie es müde, über das Brahman zu spekulieren, und suchen deshalb beim Bhāgavatam Zuflucht, ohne es jedoch richtig zu verstehen. Folglich wird es für sie sehr schwierig, das Śrīmad-Bhāgavatam zu studieren. Die trockenen Spekulationen und unpersönlichen Interpretationen mit künstlichen Mitteln helfen den Māyāvādī-sannyāsīs nicht weiter. Die Vaiṣṇava-sannyāsīs hingegen, die hingebungsvollen Dienst ausführen, erfahren bei der Erfüllung ihrer Pflichten transzendentales Glück, und dazu haben sie die Garantie, schließlich in das Königreich Gottes zu gelangen. Die Māyāvādī- sannyāsīs fallen manchmal vom Pfad der Selbstverwirklichung ab und wenden sich wieder weltlichen Tätigkeiten philanthropischer und altruistischer Natur zu, die nichts weiter als materielle Beschäftigungen sind. Daher lautet die Schlußfolgerung, daß diejenigen, die im Kṛṣṇa- Bewußtsein tätig sind, besser gestellt sind als die sannyāsīs, die nur darüber spekulieren, was Brahman ist und was nicht Brahman ist, obgleich auch sie nach vielen Geburten zum Kṛṣṇa-Bewußtsein kommen.